Leserbrief an die Presse

Das einzig Positive am Beitrag „Wenn der Katholizismus mit der Staatsmacht packelt“ von Burkhard Bischof ist seine Kennzeichnung als Kommentar, wobei seine offenbar stark ausgeprägte Aversion gegen die traditionellen Werte der katholischen Kirche sowieso kaum zu übersehen wären. Als österreichischer Katholik mit polnischer Familie väterlicherseits fühle ich mich gleich mehrfach angesprochen. Ich will an dieser Stelle aber nicht auf die inhaltliche Kritik eingehen, die sich sowieso vorwiegend auf schwer zu dekodierende Adjektive wie „erzkonservativ, zutiefst ländlich geprägt, nationalistisch angehaucht, antiliberal und reformresistent“ beschränkt, sondern ihre etwas billige Methodik entlarven. Der Verfasser beruft sich bei seiner Anklage nämlich nicht auf kritikwürdige Aussagen seitens des polnischen Episkopats, sondern auf dystopische Prophezeiungen einer praktisch unbekannten polnischen Kunstkritikerin. Ihre etwas sonderbaren Befürchtungen misandrischen Untertons werden als Programm dem „Bündnis Kirche/Staat/PiS“ in den Mund gelegt. So findet auch die schräge Forderung „Frauen sollen nicht mehr von Karriere spintisieren“ den Weg in einen Zwischentitel. Doch wer hat das gefordert? Die Kirche? Die Regierung? Oder stammt das doch nur von dieser Kritikerin? Wieso nicht gleich Gilead aus Handmaid’s Tale mit diesem „Bündnis“ gleichsetzen? Wer sich gegen derart monströse Vorwürfe verteidigen muss, hat schon verloren. Ein netter rhetorischer Trick, aber mehr nicht. Des Weiteren bin ich verwundert über die Inkohärenz der Kritik an der historischen Rolle der polnischen Kirche. Ach, hätten wir nur auch in Österreich eine Kirche gehabt, die sowohl Nationalsozialismus als auch Kommunismus die Stirn geboten hat. 20 Prozent aller polnischer Priester wurden von den Nazis ermordet, weitere 40 Prozent überlebten unter Qualen die Konzentrationslager. Das „non possumus“, das Kardinal Wyszynski den Stalinisten entgegen geschleudert hat, ist demselben Geist entsprungen, in dem später auch Papst Johannes Paul II halb Europa befreit hat. Beides empfindet zum Glück auch der Verfasser als positiv. Wie ärgerlich nur, dass die Kirche auch heute „bockig“ ist und immer noch am traditionellen Familienbild „festklammert“, wie der Autor bedauert. Werte wie das „traditionelle Familienbild“ sind aber wohl doch etwas älter als die polnische Regierung. Sie sind sogar so alt wie die Menschheit selbst und es ist deshalb etwas verwunderlich, aus ihrer Förderung einen Vorwurf der politischen Packelei zu machen. Eine Kirche, die für zeitlose Werte steht, ist per Definition unangenehm und nicht nur für den Verfasser ein Skandal. Doch auch wenn der Autor den Nachnamen Bischof trägt, hat er nicht das Recht zu entscheiden, was die Kirche verkündigt und was nicht.