Christen in der Politik …sind immer noch vergleichsweise selten Warum eigentlich? Christoph Grötzinger hat bei Jan Ledóchowski nachgefragt. Er ist Präsident der Plattform Christdemokratie, Kandidat bei der Gemeinderatswahl in Wien am 11. Oktober und Mitglied der Österreichischen Evangelischen Allianz

Christoph Grötzinger: Jan, warum bist du in die Politik gegangen?

Jan Ledóchowski: Ich habe es immer als seltsam empfunden, warum gerade Christen so zaghaft an der Gestaltung unseres Gemeinwesens teilnehmen. Man sollte doch meinen, dass das Evangelium uns unermüdlich antreibt, unsere Gesellschaft ständig neu auf Christus auszurichten. Stattdessen haben sich viele freiwillig in kirchliche Reservate zurückgezogen, während andere Gesellschaftspolitik auf Grundlage unchristlicher Menschenbilder machen. Das hat mich immer irritiert, doch letztlich bin ich in die Politik gegangen, weil mich der HERR dahin gerufen hat. Wie so häufig erkenne ich erst im Rückblick, wie er mich auf wunderbare Weise und sehr überraschend in den letzten Jahren auf diesen Weg geführt hat. Bis vor drei Jahren war ich gar nicht politisch aktiv.

CG: Was meinst du mit unchristlichen Menschenbildern?

JL.: Noch gibt es in Europa den Konsens, dass christliche Werte gut sind, nur werden sie von vielen nicht mehr als christlich erkannt: Freiheit, Gleichheit vor dem Gesetz, Demokratie, Vorrang des Individuums vor dem Kollektiv und natürlich die Menschenwürde! Allerdings ist Europa ein Experiment eingegangen und behauptet, dass diese Rechte und die darauf fußenden Institutionen unabhängig von ihrem christlichen Fundament existieren können. Das stimmt aber nicht! Ich muss da an Jak 1,23-24 denken „Wer das Wort nur hört, aber nicht danach handelt, ist wie ein Mensch, der sein eigenes Gesicht im Spiegel betrachtet: Er betrachtet sich, geht weg und schon hat er vergessen, wie er aussah.“ Besser kann man einen unchristlichen Humanismus nicht beschreiben, der den Menschen in seiner Vergänglichkeit als zufälliges Produkt der Evolution in den Mittelpunkt stellt. Wenn er ihn betrachtet, erkennt er das Heilige, doch kaum schließt er die Augen und wendet sich ab, ist alles vergessen. Der Mensch ohne Schöpfer ist nicht nur frei formbar, womit wir beim Thema LGBT wären, sondern ohne unsterbliche Seele ist er letztlich bedeutungslos. In unserer postmodernen Zeit fällt es deshalb vielen zunehmend schwer zu erklären, was eigentlich am Menschen im Vergleich zum Tier so besonders ist und warum er eine unantastbare Würde hat.

CG: Wie schaut deiner Meinung nach das christliche Menschenbild aus?

JL.: Wichtig ist zu verstehen, dass die Voraussetzung für eine christliche Gesellschaft nicht ist, dass alle Bürger Christen sind. Man kann christliche Werte für gut und richtig halten, ohne an Gott zu glauben. Christliche Werte sind für alle Menschen gut, weil sie der Ökologie des Menschen entsprechen und ihre Forderungen ins Herz aller Menschen geschrieben sind (vgl. Röm 2,15). Allerdings braucht es einen gewissen Anteil in der Bevölkerung und unter den Politikern, die den menschgewordenen Sohn Gottes in den Mittelpunkt stellen und somit unsere Kultur im Christentum verwurzelt halten. Das ist der wahre Humanismus, der den Menschen mit seiner unsterblichen Seele betrachtet, weil er somit als einziges auf der Welt, wirklich relevant und ewig ist, während Kollektiv, Nation, Umwelt, Partei, Staat, Kultur usw. vergehen. Weil wir zur Freiheit berufen sind (Röm 8,21), weil Gott unsere Liebe will und nicht Unterwerfung (1 Joh 4,18), weil wir vor Gott alle gleich sind (Apg. 10,34) haben wir unsere Demokratie, den Rechtsstaat, die Meinungsfreiheit und vieles mehr errungen.

CG: Was kann man tun, um christliche Werte in der Politik zu fördern

JL: Als Präsident der überkonfessionellen und überparteilichen Plattform Christdemokratie setze ich mich genau dafür ein. Einerseits informieren und sensibilisieren wir Christen über ihre staatsbürgerliche Verantwortung als Christen. Fallen wir nicht auf die Behauptung hinein, dass Glaube und Politik nichts miteinander zu tun haben. Aus dem Christentum heraus ist Europa erstanden, und Europa braucht uns! Wir ermuntern ganz besonders junge Christen, aus ihrem Glauben an Jesus heraus, in die Politik zu gehen. Ich bitte alle Christen, beten wir nicht nur für gute Politiker, sondern freuen wir uns, wenn sich aus unseren Reihen Menschen dazu berufen fühlen und unterstützen wir sie dabei. Zweitens wollen wir ganz pragmatisch dafür sorgen, dass Politiker mit christlichen Themen Erfolg haben. Wir leben in einer Demokratie, und solange Politiker, die sich z.B. für die Bewahrung der Ehe und das Recht auf Leben einsetzen, keine Wahlen gewinnen, wird sich politisch nichts ändern. Vielleicht hat Jesus auch das gemeint, als er sagte, „die Kinder dieser Welt sind im Umgang mit ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichtes“ (Lk 16, 8). Deshalb erstellen wir vor Wahlen eine Liste christlicher Kandidaten möglichst aller Parteien, damit diese durch Vorzugsstimmen gestärkt oder sogar für einen Einzug in den Landtag oder Nationalrat vorgereiht werden. Bei der kommenden Gemeinderatswahl in Wien am 11. Oktober werden neben mir einige Christen aus verschiedenen Konfessionen für den Gemeinderat kandidieren, und es liegt in unserer Hand, ob das christliche Menschenbild im Wiener Gemeinderat verteidigt wird oder nicht.

CG: Danke für das Gespräch und Gottes Segen!

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